Zum Werk von Christine Colditz

Das OEuvre von Christine Colditz aus den Jahren 1970 - 2017  - folgen wir einer Gliederung der Künstlerin selbst -  umfasst 7 Arbeitsgruppen: 1. Zeichnung ( 60er bis 80er Jahre), 2.Skulptur und Plastik (Mitte 70er bis Mitte 80er Jahre; Kleine Plastiken Mitte der 70er Jahre), 3. Porträt-Plastik (80er Jahre), 4. Pastellmalerei (Portrait 80er Jahre, figurativ 80er Jahre), 5. Schnitte und Einbettungen in Acrylglas (Malerische Skulpturen, Ende der 80er Jahre), 6. Farbstrukturen: nach den suchenden und experimentellen 80er Jahren die endgültige Hinwendung zur Malerei auf Leinwand und 7. Ölmalerei, eine zweite grosse Gruppe von Freier Malerei, die zuletzt in farbigen Setzungen geradezu explodieren (seit den 90er Jahren).

Allen Arbeiten seit den 70er Jahren bis heute ist ein Drängen von innen nach aussen, ein Explodieren nur mühsam gebannter Form gemeinsam. Colditz stellt immer, bis auf wenige Ausnahmen in der Gruppe der Portraits, einen Vorgang dar. Stets lässt sie den Betrachter einen Prozess erfahren und beteiligt ihn so am Werk. Die Thesen der Opera aperta von Umberto Eco strukturieren eine Konstante in ihrer Arbeit. Das Bildgefüge ist als stetiger Wandel ein Erlebnis.

Eine weitere Quelle ihrer Kunst liegt in der Verweigerung des genauen Darstellens, des Ausarbeitens bis zum Trompe l' oeil. Ihre Arbeiten leben aus der Bild-Freiheit. Der Begriff des Non-finito spielt hier eine herausragende Rolle. Vom Betrachter wird Einfühlung und Konzentration verlangt. Das Non-finito eines Michelangelo, das aus ökonomischen Gründen entstand, wurde von Rodin zum Stil ernannt. Es begleitet seitdem viele skulpturale Werke (z.B. Alfred Hrdlicka), aber auch viele Bilder, ob gegenständlich oder abstrakt (Lucian Freud oder Willem de Kooning). Das Kunstwollen der Christine Colditz ist tief davon durchtränkt. Es ist eine konstituierende Überzeugung.

Das Studium des menschlichen Körpers als Figur, der eigene Körper als Expression im ständigen Wandel der Wahrnehmung führten sie in Zeichnung und Bildhauerei zu Lösungen, die Erkennbarkeit suggerieren obwohl sich die Linienführungen im Detail rein bildnerischen Gesetzen unterwerfen. Diese Freiheit führt sie in die großen farbigen Bilder über. So wuchs ein Werk heran, das unvergleichbar ist: visionär und von direkter Präsenz.

In Deutschland ist nach 1945 kein anderes internationales bildkünstlerisches Œuvre entstanden, das so vielfältig und doch kongruent ist, das durchdacht und doch so sinnlich wirkt.

Dieter Ronte